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Freistellung

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Freistellung im Arbeitsrecht: Rechte, Pflichten und rechtliche Aspekte

Die Freistellung eines Arbeitnehmers kann sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer selbst von großer Bedeutung sein. Sie tritt in Situationen auf, in denen die normale Arbeitsleistung aus bestimmten Gründen nicht erbracht werden kann oder die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer aus verschiedenen Gründen von der Arbeit freigestellt werden soll. In diesem Artikel werden wir uns näher damit befassen, wie Freistellung im deutschen Arbeitsrecht geregelt ist und welche Rechte und Pflichten sich daraus ergeben.

Einleitung

Die einseitige Freistellung eines Arbeitnehmers ist grundsätzlich nicht zulässig. Das bedeutet, dass ein Arbeitgeber nicht einfach nach eigenem Ermessen einen Mitarbeiter von der Arbeit freistellen kann. Eine Freistellung kommt nur in Betracht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine Freistellung nur dann rechtens, wenn:

  • Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unmöglich ist, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit.
  • Dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unzumutbar ist, etwa aufgrund von Konflikten am Arbeitsplatz oder anderen schwerwiegenden Gründen

Dem Grunde nach ist die Freistellungserklärung der Arbeitgeberseite eine Verzichtserklärung auf die Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag.

Freistellung im Arbeitsverhältnis

Grundsätzliche Regelungen

Das Konzept der Freistellung im Arbeitsrecht ist wichtig, um die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu klären. Die einseitige Freistellung eines Arbeitnehmers ist grundsätzlich nicht zulässig. Das bedeutet, dass ein Arbeitgeber nicht einfach nach eigenem Ermessen einen Mitarbeiter von der Arbeit freistellen kann. Eine Freistellung kommt nur in Betracht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine Freistellung nur dann rechtens, wenn:

  • Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unmöglich ist, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit.
  • Dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unzumutbar ist, etwa aufgrund von Konflikten am Arbeitsplatz oder anderen schwerwiegenden Gründen.

Einschränkungen des Beschäftigungsanspruchs

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Beschäftigung kann vertraglich beeinflusst werden, jedoch nur mit bestimmten Einschränkungen. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zur Freistellung durch den Arbeitgeber kann den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers beeinflussen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein Verzicht auf den Beschäftigungsanspruch im Voraus unzulässig ist, wie vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht im Vorfeld bestimmen kann, dass der Arbeitnehmer bei Bedarf freigestellt werden kann, ohne die konkreten Umstände zu berücksichtigen.

Freistellung im Arbeitsvertrag und Tarifvertrag

Vereinbarung zur Freistellung

Eine Freistellungsvereinbarung in einem Tarifvertrag ist in der Regel wirksam. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gewahrt bleiben muss. Wenn das Freistellungsrecht des Arbeitgebers in einer tarifvertraglichen Regelung zu weit geht, kann eine Auslegung erforderlich sein. Eine Individualvereinbarung zur Freistellung im Sinne von § 305b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) muss sich an den Anordnungen des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung messen lassen.

Grundsätzlich ist es möglich, eine Vereinbarung zur Freistellung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis durch eine vorformulierte Vereinbarung zu treffen. Diese Klausel muss jedoch dem Transparenzgebot entsprechen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Freistellung ausgesprochen werden kann, müssen klar und verständlich beschrieben werden. Gleichzeitig dürfen die Gründe für die vereinbarte Freistellung nicht wesentlich von den Voraussetzungen abweichen, unter denen der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch hat. Ohne eine wirksam vereinbarte Freistellungsvereinbarung ist der Arbeitgeber in der Regel dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, wenn dieser seine Arbeit verlangt und sein Beschäftigungsinteresse überwiegt.

Freistellung im Tarifvertrag

Die meisten Tarifverträge enthalten Regelungen zur Freistellung von Arbeitnehmern. Diese Regelungen können von Branche zu Branche variieren und sollten im jeweiligen Tarifvertrag nachgelesen werden. Tarifverträge können sowohl die Gründe für eine Freistellung als auch die Verfahrensweisen für die Umsetzung einer Freistellung festlegen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die geltenden Tarifverträge sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass sie die geltenden Regelungen bezüglich der Freistellung einhalten.

Freistellung bei Kündigung

Freistellung während der Kündigungsfrist

Die Frage der Arbeitsbefreiung wird oft im Zusammenhang einer Kündigung / oder auch mit mehreren Kündigungen relevant. Wenn einem Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist gekündigt wurde oder wenn ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, kann eine Befreiungserklärung gegen den Willen des Arbeitnehmers nur dann zulässig sein, wenn die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Es reicht nicht aus, dass allein die Tatsache einer Kündigung ausreicht, um eine Freistellung zu rechtfertigen. Bei betriebsbedingten Kündigungen kann

Vergütung während der Freistellung

Während der Befreiung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf seine vertragsgemäße Vergütung. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in diesem Zusammenhang eindeutig: Eine Arbeitgeberseitige Verzichtserklärung führt nicht dazu, dass der Arbeitgeber von der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist stets befreit ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet ist, das Gehalt und andere Vergütungen an den Arbeitnehmer zu zahlen, während dieser freigestellt ist. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht nur dann, wenn für den Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht zumutbar ist oder wenn die Arbeitsleistung aus Gründen, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, unmöglich ist.

Freistellung in der arbeitsrechtlichen Praxis

Anspruchsgrundlagen für die Freistellung

Ein Arbeitnehmer kann sich von der Arbeitsleistung freistellen lassen, wenn er dafür eine entsprechende Anspruchsgrundlage hat. Zu diesen Ansprüchen gehört beispielsweise der Urlaubsanspruch. Wenn ein Arbeitnehmer noch nicht seinen gesamten Jahresurlaub genommen hat, kann er darum bitten, während der verbleibenden Tage freigestellt zu werden. Dies kann besonders in Fällen von Resturlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses relevant sein.

Ein weiterer Anspruch, der zur Befreiung führen kann, ist eine Feiertagsregelung. Wenn ein Feiertag auf einen normalen Arbeitstag fällt und der Arbeitnehmer an diesem Tag nicht arbeiten möchte, kann er eine Befreiung beantragen.

Darüber hinaus können Ansprüche auf die Befreiung aus besonderen Arbeitsbedingungen resultieren, wie beispielsweise der Ausgleich für Nachtarbeit oder der Ausgleich aus einem Arbeitszeitkonto.

Klärung von Streitfällen

Wenn die Ansprüche auf die Befreiung von der Arbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer strittig sind, sollten diese Angelegenheiten zeitnah vor den Arbeitsgerichten geklärt werden. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht kann dazu führen, dass der Arbeitgeber eine Willenserklärung zur Freistellung abgibt. Dies kann besonders wichtig sein, wenn ein Arbeitnehmer gegen seinen Willen von der Arbeitsleistung freigestellt wurde und seine Beschäftigung verlangt.

Freistellung in arbeitsgerichtlichem Vergleich

In der Mehrzahl der arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten wird das Verfahren in der ersten oder zweiten Instanz durch Vergleich beendet. War beispielsweise eine Kündigung Gegenstand des Verfahrens, besteht oftmals der Anlass die Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat durch eine Freistellungsphase zu regeln. Dies gilt insbesondere im Fall der außerordentlichen Kündigung.
Das Arbeitsgericht bzw. auch das Bundesarbeitsgericht haben nun entschieden, dass die im gerichtlichen Vergleich den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann erfasst, wenn Vergleich auch hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts 40/19 heißt es dazu:

40/19
Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freitzeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.

Die im Streit stehende Klausel war wie folgt formuliert:

„Die Beklagten stellen die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht der Erbringung der Arbeitsleistung bis einschließlich 31.01.2017 unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 werden mit der Freistellung in Natura gewährt.“

Im Urteil des BAG heißt es dazu:

II. Die Klägerin hat Anspruch auf Abgeltung des Zeitguthabens auf dem für sie bei der Beklagten geführten Arbeitszeitkonto, das nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zuletzt 67,10 Stunden betrug. Weil dieser Positivsaldo nicht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Freizeit abgebaut wurde, kann die Klägerin dessen Ausgleich in Geld verlangen. Das folgt aus einer konkludenten Abrede der Parteien bei der Errichtung des Arbeitszeitkontos.

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1. Ein Arbeitszeitkonto hält im Allgemeinen fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 617/15 – Rn. 17, BAGE 155, 310). Abhängig von der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien kann ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen (vgl. BAG 19. März 2008 – 5 AZR 328/07 – Rn. 10 mwN; 10. November 2010 – 5 AZR 766/09 – Rn. 16, BAGE 136, 152) oder für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein (BAG 21. März 2012 – 5 AZR 676/11 – Rn. 26, BAGE 141, 88).

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2. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Guthabens auf seinem Arbeitszeitkonto, macht er folglich (nur) den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend (BAG 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – Rn. 20 mwN, BAGE 152, 315). Auf die Anspruchsvoraussetzungen „echter“ Überstundenvergütung – entsprechende ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung der Vergütung von Überstunden oder die Fiktion einer stillschweigenden Vereinbarung nach § 612 Abs. 1 BGB – kommt es deshalb nicht an. Auch die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden und deren arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung im Überstundenprozess (vgl. dazu zuletzt BAG 26. Juni 2019 – 5 AZR 452/18 – Rn. 39, 44 mwN) spielen keine Rolle. Denn der Arbeitgeber stellt mit der vorbehaltlosen Ausweisung in einem für den Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos und bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden (BAG 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – Rn. 23, aaO).

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3. Der Abbau eines Arbeitszeitkontos, der nicht spiegelbildlich zu seinem Aufbau erfolgen muss (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 296/09 – Rn. 15), richtet sich nach der der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegenden Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag). Im Streitfall erfolgte der Abbau des Arbeitszeitkontos nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durch Freizeitausgleich. Dass während des vollzogenen Arbeitsverhältnisses Zeitgutgaben – auch – durch Geldleistung ausgeglichen worden wäre, hat die Klägerin nicht behauptet. An einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über den Umgang mit Positiv- oder Negativsalden auf dem Arbeitszeitkonto im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt es.

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4. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht regelmäßig die Schließung des Arbeitszeitkontos einher, ein Freizeitausgleich ist nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht mehr möglich (BAG 26. Juni 2013 – 5 AZR 428/12 – Rn. 22 f.). Wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist, enthält die einvernehmliche Errichtung eines Arbeitszeitkontos die konkludente Abrede, dass das Konto spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen ist (BAG 13. Dezember 2000 – 5 AZR 334/99 – zu II 2 c der Gründe; so im Ergebnis auch die hM im Schrifttum, vgl. etwa MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 611 BGB Rn. 1059; Staudinger/Richardi/Fischinger [2016] § 611 BGB Rn. 1080; MHdB ArbR/Reichold 4. Aufl. § 40 Rn. 82; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 18. Aufl. § 160 Rn. 48; soweit der gesetzliche Mindestlohn betroffen ist, sieht § 2 Abs. 2 Satz 2 MiLoG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nunmehr – zusätzlich – einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch vor). Denn regelmäßig will weder der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorgeleistete Arbeit „schenken“ noch der mit der Zahlung einer verstetigten Vergütung vorleistende Arbeitgeber auf eine finanzielle Erstattung seiner Vorschussleistung verzichten (zu Letzterem sh. BAG 13. Dezember 2000 – 5 AZR 334/99 – zu II 2 c der Gründe). Gelingt es vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht, ein positives Guthaben des Arbeitnehmers durch entsprechende Freizeit abzubauen, hat der Arbeitgeber den Positivsaldo finanziell auszugleichen.

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5. Davon ausgehend ist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 31. Januar 2017 der streitgegenständliche Abgeltungsanspruch entstanden und fällig geworden. Denn bis dahin ist der aus dem Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto folgende Anspruch der Klägerin auf Freizeitausgleich nicht durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen.

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a) Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinne das Gegenteil von Arbeitszeit (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 296/09 – Rn. 17). Die Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs erfolgt daher durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen. Die Umsetzung erfolgt dadurch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Abbau eines vorhandenen Freizeitguthabens an Tagen, die für diesen „an sich“ Arbeitstage wären, von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, befreit (BAG 11. Februar 2009 – 5 AZR 341/08 – Rn. 13; vgl. auch BAG 17. März 2010 – 5 AZR 296/09 – Rn. 17; 19. September 2018 – 10 AZR 496/17 – Rn. 22).

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b) Die Klägerin war zwar jedenfalls im Anschluss an den gerichtlichen Vergleich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung ihrer Vergütung unwiderruflich freigestellt. Doch hatte die Beklagte damit den Freizeitausgleichsanspruch der Klägerin zum Abbau des Arbeitszeitkontos nicht erfüllt.

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aa) Allerdings hätte die Beklagte Freizeitausgleich zum Zwecke des Abbaus des Arbeitszeitguthabens einseitig festlegen können (zum Freizeitausgleich als Weisung des Arbeitgebers zur Verteilung der Arbeitszeit sh. BAG 19. Mai 2009 – 9 AZR 433/08 – Rn. 28 mwN, BAGE 131, 30). Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht behauptet worden, der Beklagten wäre solches nach der der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegenden Vereinbarung verwehrt gewesen. Das Erfordernis eines Antrags der Klägerin auf Freizeitausgleich bedeutet lediglich, dass sie damit – ähnlich wie es § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG für den Urlaub vorsieht – ihren Wunsch für die zeitliche Lage des Freizeitausgleichs zum Ausdruck brachte.

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bb) Mit der Freistellung der Klägerin im Anschluss an den gerichtlichen Vergleich hat die Beklagte indes nur ihre Verpflichtung aus dem Vergleich erfüllt, nicht jedoch zugleich die ihr aus der der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegenden Vereinbarung obliegende Leistung „Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos“ iSd. § 362 Abs. 1 BGB bewirkt (zum Eintritt der Erfüllungswirkung vgl. BAG 17. Januar 2018 – 5 AZR 69/17 – Rn. 14 mwN). Dafür ist die bloße Freistellung als solche nicht ausreichend. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die eine Freistellung haben kann, muss der Arbeitnehmer erkennen können, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos von der Arbeitspflicht freistellen will. Anderenfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Freizeitausgleichsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken, (nur) den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers – zB weil er an der Weiterarbeit nach Ausspruch einer Kündigung kein Interesse hat – ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen – insbesondere der Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB – verzichten will (ebenso zum Urlaubsanspruch BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 19 mwN, BAGE 150, 355; 20. August 2019 – 9 AZR 468/18 – Rn. 18). Daran fehlt es vorliegend. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch konkludent mit hinreichender Deutlichkeit festgehalten, dass die Beklagte die Klägerin (auch) unter Anrechnung des Freizeitausgleichsanspruchs zum Abbau des Arbeitszeitkontos von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freistellt. Die Beklagte hat auch nicht in Vollzug des gerichtlichen Vergleichs durch anderweitige Erklärungen zum Ausdruck gebracht, dass die Freistellung zum Zwecke der Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs erfolge.

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cc) Anders als für den Urlaub, der nach Ziff. 3 Satz 2 des gerichtlichen Vergleichs „mit der Freistellung in Natura gewährt“ sein soll, fehlt es zum Abbau des Positivsaldos auf dem Arbeitszeitkonto an einer ausdrücklichen Anrechnungsklausel etwa dahingehend, dass die Freistellung unter Anrechnung auf den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos erfolgt oder dieser mit der Freistellung (mit)erfüllt sein soll. Eine dahingehende konkludente Vereinbarung lässt sich dem Prozessvergleich nicht hinreichend deutlich durch Auslegung entnehmen. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

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(1) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge – auch Prozessvergleiche – so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 522/15 – Rn. 25; 24. September 2015 – 2 AZR 716/14 – Rn. 35, BAGE 153, 20, jeweils mwN). Dabei unterliegt die Auslegung typischer Klauseln in Prozessvergleichen, die zur Beilegung einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten verwendet werden, selbst wenn der materielle Regelungsgehalt des Vergleichs ausschließlich individuell bestimmt ist, der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (BAG 27. Mai 2015 – 5 AZR 137/14 – Rn. 18 mwN, BAGE 151, 382; GMP/Müller-Glöge ArbGG 9. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 19. Aufl. ArbGG § 73 Rn. 8; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 5. Aufl. § 73 Rn. 53; aA etwa GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2018 § 73 Rn. 43a mwN auch zu abw. Rspr.). Um eine solche typische Klausel handelt es sich bei der Freistellungsvereinbarung in Ziff. 3 des Prozessvergleichs (vgl. BAG 23. Januar 2008 – 5 AZR 393/07 – Rn. 2, 12).

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(2) Die Freistellung knüpft an die zuvor geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Dabei waren sich die Parteien einig, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht mit dem Zugang der fristlosen Kündigung vom 27. September 2016, sondern durch eine (umgedeutete) ordentliche Kündigung enden sollte, und zwar nicht mit der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB, sondern erst zu dem bei Abschluss des Vergleichs noch in der Zukunft liegenden Termin 31. Januar 2017. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zog die Klägerin diese „Verlängerung“ einer Abfindung vor. Weil aber – wie typischerweise in solchen Konstellationen – offensichtlich von beiden Seiten kein Interesse an einer Weiterarbeit der Klägerin bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt bestand, vereinbarten die Parteien eine Freistellung „von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung … unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung“. Diese bezahlte Freistellung hat damit nach dem Willen der Parteien bei Vergleichsschluss primär „Abfindungscharakter“. Mit ihr wird lediglich die Arbeitspflicht der Klägerin aufgehoben, weitere Rechtsfolgen regelt sie nicht (vgl. BAG 23. Januar 2008 – 5 AZR 393/07 – Rn. 13). Konsequenterweise nahmen die Parteien deshalb in Ziff. 3 Satz 2 des Vergleichs auf, dass mit der Freistellung auch der (restliche) Urlaub „in Natura gewährt“ wird. Dagegen ist weder in Ziff. 3 noch an sonstiger Stelle des Vergleichs vom Abbau des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto oder ähnlichem die Rede. Ferner ergibt sich weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus dem Vorbringen der Parteien, dass der Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto bei den Vergleichsverhandlungen auch nur angesprochen worden wäre.

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(3) Der Vergleich enthält zudem keine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel dahingehend, dass mit ihm alle oder zumindest alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind (zum Rechtscharakter derartiger Klauseln in gerichtlichen Vergleichen vgl. zB BAG 27. Mai 2015 – 5 AZR 137/14 – Rn. 21 mwN, BAGE 151, 382) und auf diese Weise hinreichend deutlich erkennbar wäre, dass die vereinbarte Freistellung auch zum Zwecke der Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs zum Abbau des Arbeitszeitkontos erfolgen sollte. Wollten die Parteien – worauf das Landesarbeitsgericht seine gegenteilige Auslegung maßgeblich stützt – mit dem Vergleich „alle Streitfragen … antizipieren und einer Lösung zuführen“, wäre es zwingend erforderlich gewesen, eine entsprechende umfassende Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel aufzunehmen. Das haben die Parteien jedoch – unerheblich, ob bewusst im Hinblick auf bei Vergleichsschluss nicht bekannte oder nicht bedachte Sachverhalte oder aus Nachlässigkeit – unterlassen. Damit verbietet sich eine Auslegung, die faktisch die fehlende Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel ersetzen würde.

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6. Der Abgeltungsanspruch der Klägerin ist nicht nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen. Ist – wie im Streitfall – zugunsten des Arbeitnehmers ein Saldo auf dem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesen und bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch bezahlte Freizeit oder zusätzliches Entgelt abgebaut worden, sind die Guthabenstunden streitlos gestellt und müssen nicht innerhalb von Ausschlussfristen geltend gemacht werden (BAG 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17 – Rn. 39, BAGE 163, 89). Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin ausgewiesenen Guthabens lebte auch nicht wieder auf, als sich dieses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte (vgl. BAG 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – Rn. 34 mwN, BAGE 152, 315).

 

Fazit

Ein wichtiges und vielschichtiges Thema im deutschen Arbeitsrecht. Es gibt klare rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine Freistellung durchzuführen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich dieser rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein und sie sorgfältig einhalten.

Es ist ratsam, im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag klare Regelungen zur Freistellung zu treffen, um mögliche Missverständnisse oder Konflikte zu vermeiden. Im Falle von Kündigungen ist es wichtig zu verstehen, unter welchen Bedingungen eine Freistellung zulässig ist und wie die Vergütung während der Freistellung geregelt ist.

In der arbeitsrechtlichen Praxis sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich bewusst sein, dass die Klärung von Streitfällen vor den Arbeitsgerichten möglich ist und in bestimmten Situationen notwendig sein kann. Ein fundiertes Verständnis der rechtlichen Aspekte der Freistellung kann dazu beitragen, dass diese Angelegenheit gerecht und im Einklang mit dem Arbeitsrecht geregelt wird.

Insgesamt ist die Verzichtserklärung ein komplexes Thema im Arbeitsrecht, das eine sorgfältige rechtliche Prüfung und Umsetzung erfordert, um die Rechte und Pflichten sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers zu wahren.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Düsseldorf
Joachim Schrader, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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